In jeder Krise steckt auch eine Chance. Diesen Satz hören wir oft, wenn es darum geht, wie wir mit Veränderungen umgehen sollen. Um eines vorweg zu nehmen: Dieser Satz stimmt. Doch ganz so einfach wie es klingt ist es nicht!
Vielleicht kann ich selbst mit Krisen gut umgehen. Vielleicht habe ich selbst schon viele Veränderungen erfolgreich gemeistert. Diese positiven Erfahrungen helfen mir beim Umgang mit aktuellen oder anstehenden Veränderungen. Doch was ist, wenn ich nicht nur für mich verantwortlich bin? Und hier erkennen wir schon das mögliche Dilemma. Neben der Rolle als Führungskraft kommen noch die persönliche Betroffenheit und die Verantwortung für die Mitarbeiter hinzu. Ich könnte jetzt allgemein über die Bewältigung von Krisen und die Rolle der Führungskraft schreiben. Mir geht es hier aber um etwas anderes. Es geht in diesem Artikel darum, wie ich als Führungskraft lerne, meine Mitarbeiter auf Distanz zu führen. Viele werden jetzt sagen, das mache ich doch schon lange. Das ist doch nichts neues. Aber einige werden dabei sein und sagen, Home-Office gab es bisher nicht bei uns. Für mich ist Führen auf Distanz etwas komplett Neues. An diejenigen richtet sich dieser Artikel vorwiegend. Aber alle anderen dürfen ihn natürlich auch gerne lesen.
Vor kurzem sprach ich mit einer Freundin, die mir erzählte, dass sie in Ihrem Unternehmen fast 500 Notebooks gekauft haben, und die Mitarbeiter (eines Call- und Servicecenters) ab sofort von zuhause arbeiten. Gerade in diesem Umfeld wird viel Wert auf eine enge Führung gelegt. Doch nicht nur in dieser Branche stehen Abteilungs- und Teamleiter plötzlich vor neuen Herausforderungen. Welche Auswirkungen hat das plötzlich virtuelle Team auf die Führungsrolle? Wie schaffe ich es, die Motivation, den Teamgeist und die (gute) Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten? Wie stelle ich sicher, dass die Ziele erreicht werden, wie gebe ich Feedback? Auf all diese Fragen möchte ich gerne Antwort und dazu noch ein paar Tipps geben.
Damit Führen auf Distanz erfolgreich funktionieren kann, brauche ich die richtige Einstellung und das Bewusstsein, dass die Führung von virtuellen Teams einige Besonderheiten aufweist. Vor allem muss ich die Bereitschaft haben, meinen Mitarbeitern einen Vertrauensbonus zu geben (das sollte ich grundsätzlich; beim virtuellen Team ist es aber noch wichtiger!). Dieses Vertrauen muss erst aufgebaut werden, da es auch für die Teammitglieder eine neue Erfahrung ist. Eine Möglichkeit, um Vertrauen aufzubauen, ist mehr Feedback zu geben und zu nehmen. Durch den Wegfall der direkten Zusammenarbeit nimmt das Feedback einen noch höheren Stellenwert ein. Ich muss bereit sein, weniger zu kontrollieren, mehr zu delegieren und ggf. auch die Entscheidungsfindung auf die Mitarbeiter zu übertragen. Die Zusammenarbeit erfolgt dabei nicht mehr an einem Ort oder gar in einem Raum, sondern vielmehr über verschiedene Medien wie Telefon, Mail oder Chat. Ein spontanes Treffen in der Kaffeeküche fällt dadurch genauso weg wie auch die Kommunikation „auf dem Flur“, bei der in der Regel vieles auf dem kleinen Dienstweg geklärt werden kann.
Neben der Einstellung und dem Bewusstsein für virtuelle Teams kommt der Kommunikation
eine besondere Rolle zu. In der Kommunikation und der Delegation von Aufgaben oder Zielen muss ich ganz klar sein. Meine Mitarbeiter sehen am Telefon oder in der E-Mail weder meine Mimik noch meine Gestik oder meine Körpersprache. Das macht die Kommunikation schwieriger. Konkret bedeutet das, dass ich bewusster und klarer formulieren muss. Nicht nur die Formulierungen sind wichtig. Es müssen auch klare Kommunikationsregeln besprochen und eingehalten werden. Welche Themen bespreche ich über welches Medium? Diese Frage muss geklärt sein. Ein kurzes Telefonat kann in einigen Situationen wesentlich sinnvoller sein als fünf Emails, die hin und her geschickt werden und am Ende keiner mehr weiß, was man eigentlich wollte. Die Definition von Regeln gilt auch für virtuelle Meetings, wie Telefon- oder Videokonferenzen.
Der dritte Erfolgsfaktor bei der Führung von virtuellen Teams ist das Aufstellen von klaren Regeln. Für mich gehören dazu Ziele, Dos und Don’ts, der Rahmen der Zusammenarbeit. Ob Sie die Ziele mit KPIs machen oder individuelle Ziele formulieren, bleibt dabei Ihnen als Führungskraft überlassen. Bei den Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit hat sich in der Praxis eine gemeinsame Festlegung bewährt. Am besten bei einem Präsenzworkshop. Da sich das in Zeiten von Corona aber leider in vielen Unternehmen nicht mehr realisieren lassen hat, muss es über digitale Medien erfolgen. Hier gibt es inzwischen schon sehr gute Tools, die viele Möglichkeiten bieten und trotz der physischen Entfernung eine gute Zusammenarbeit möglich machen. Bei der Festlegung der Zusammenarbeit ist es wichtig, dass Standards (z.B. Antwortzeiten bei Anfragen, Teilnahme an gemeinsamen Konferenzen, etc.) eingeführt werden.
Die klassischen Aufgaben der Mitarbeiterführung
(Mitarbeitergespräche, Konfliktlösung, Rahmenbedingungen, Motivation erhalten, …) dürfen auch auf Distanz nicht zu kurz kommen. Im Gegenteil. Durch die physische Distanz steigen die Ansprüche an Führungskräfte. Ich greife hier das Beispiel „Motivation hochhalten“ heraus. Das zu halten ist auf Distanz wesentlich schwieriger. Ein Lob per Mail ist und kann nicht gleich zu einem persönlichen Lob sein. Um so wichtiger ist es, zu versuchen, ein Feedback persönlich zu geben. Ist das nicht möglich zumindest per Videokonferenz! Neben dem positiven Feedback ist auch ein konstruktives Feedback notwendig. Auch hier gilt, je persönlicher, je besser. Gerade wenn es um kritische Themen geht, rate ich von einer Rückmeldung per E-Mail explizit ab!
Die Infrastruktur und der Umgang mit digitalen Medien
haben einen erheblichen Anteil am Führen auf Distanz. Welche Infrastruktur brauche ich? Welche Tools nutze ich? Wie nutze ich diese Tools? Nur wenn wir sicherstellen können, dass alle Mitarbeiter im Home-Office eine entsprechende (möglichst schnelle und stabile) Internetverbindung haben, ein Notebook, auf dem die genutzte Software läuft, etc. ist das Führen auf Distanz überhaupt möglich. Neben der technischen Basis brauchen wir aber auf die Methodenkenntnis der benutzten Tools. Es nutzt nichts, wenn alle Mitarbeiter die entsprechenden Programme haben, wenn sie nicht wissen, wie sie genutzt werden. Es kann notwendig sein, dass im Vorfeld Schulungen angeboten werden müssen. Oder alternativ die Mitarbeiter Zeit bekommen, sich das Wissen in Eigenarbeit anzueignen.
Wenn ich all diese Themen beachte und anpasse und weiterentwickle, bieten neue Arbeitsformen (z.B. Home-Office) viele Möglichkeiten. Gerne unterstützen wir Sie dabei, heraus zu finden, ob das auch eine Option für Sie ist!